Beschreibung
Vor 100 Jahren erschien im Märzheft des Jahres 1915 der Zeitschrift »Die weißen Blätter«, von Josef Luitpold Stern verfasst, eine der ersten Publikationen nach Kriegsbeginn, in der bis dahin veröffentlichte Gedichte gesichtet und beurteilt wurden. »Dichter« lautete die lapidare Überschrift, die mög- licherweise gewählt wurde, um die Zensur nicht darauf aufmerksam zu machen (in der Korrespondenz mit dem Leipziger Verlag war der Titel »Kriegsdichter« vorgesehen). Stern begann mit den Worten: In der Geschichte des geistigen Lebens wird die Haltung der deutschen Dichter während des großen Krieges von Neunzehnhundertvierzehn für immer denkwürdig bleiben. Aus der Art, wie sich das ungeheure Geschehen in den Herzen und Hirnen, in den Worten und Wendungen der Poeten gespiegelt hat, werden die Forscher, die nach uns kommen, manches Gesetz des dichterischen Schaffens aufspüren. Josef Luitpold Sterns Aufsatz verdient es, 100 Jahre nach seinem Erscheinen an Ort und Stelle wieder in Erinnerung gerufen zu werden, weil es sich dabei im zweifachen Sinn um ein literatur- und politikgeschichtlich bemerkenswertes Dokument handelt. Es ist eine erste kritische Sichtung der – wie bei Julius Bab nachzulesen – damals sintflutartig angewachsenen Masse von Kriegsgedichten, die schon in den ersten Kriegswochen entstanden waren. Und es geschah dies in einer in Leipzig erschienenen Zeitschrift, in der sich unter Rene´ Schickeles Leitung jene Schriftsteller versammeln konnten, die sich als Pazifisten verstanden, ehe die »Weißen Blätter« 1916 notgedrungen in die Schweiz übersiedelten. Josef Luitpold Stern hat auch das essayistische Muster vorgegeben, dem hier nachgefolgt wird (die benutzten Gedicht-Quellen finden sich im Anhang dieses Bandes) bis hin zum Jahr 1933 und darüber hinaus, seine Hoffnung erfüllend, dass die »Forscher, die nach uns kommen«, die von ihm begonnene Arbeit zu Ende bringen.